Es macht schon eine Menge aus, wenn bei einer Generalprobe die Hütte voll ist – so wie gestern Abend. Im Vorfeld wurde bereits bekanntgegeben, dass über die Hälfte der Tickets an das heimische Publikum verkauft wurde, was immer ein ganz guter Stimmungstest ist – vor allem dann, wenn nicht nur eingefleischte Fans alles begeistert bejubeln.
© Stephan Mehner/ECG e. V.
© Stephan Mehner/ECG e. V.
In meinem Block saßen ausschließlich Schweizer, und eines kann man sagen: Sie sind wirklich sehr diszipliniert. Niemand springt mit Fahnen auf, trinkt Bier oder redet ununterbrochen. Und das soll nicht heißen, dass sie keinen Spaß hatten – ganz im Gegenteil. Eindeutiger Favorit in meinem Umfeld war Tommy Cash aus Estland, bei dem einige im Publikum bereits erstaunlich textsicher waren.
Vor mir saß eine Dame, die bei jedem Beitrag, der ihr gefiel, wohlwollend nickte – aber ebenso eindrucksvoll das Gesicht verzog, wenn ihr etwas missfiel. Als Steigerung ihrer Abneigung drückte sie sich sogar Ohrstöpsel hinein. Eines war unschwer zu erkennen: Belgien war wohl ihr letzter Platz.
Allerdings muss man sagen, dass der Sound in der Halle ungewöhnlich laut ist – was die Beiträge aus Polen, Belgien, Aserbaidschan, Zypern und Kroatien zu einer echten Herausforderung für die Gehörgänge macht. Dadurch ist es auch fast unmöglich, eine Einschätzung abzugeben, wie die Stimmen im Fernsehen tatsächlich rüberkommen.
Schade auch für die Schweizer, dass sie von ihrem eigenen Beitrag auf der Bühne kaum etwas mitbekommen. Natürlich wurde Zoë vor und nach dem Auftritt gefeiert, aber man spürte eine gewisse Nervosität, als klar wurde, dass nur etwa fünf Personen sie aktiv filmten – sie wirkte wie in einem Kokon gefangen. Auch die Leinwände, auf denen man teilweise das TV-Bild sehen kann, gaben nur sehr kurze Einblicke.
Nichtsdestotrotz gelingt den Schweizern eine sehr stimmige, intime Inszenierung, die zunehmend mehr Fans findet.
Anders als bei der ersten Probe durfte das Publikum diesmal auch die Interval-Acts genießen. Mit „Made in Switzerland“ gelang eine wunderbare Musicalnummer, bei der man sich ein wenig von schwedischen ESC-Interval-Acts hat inspirieren lassen. Hazel Brugger und Sandra Studer spielten ebenfalls eine Rolle in dieser Pausennummer – allerdings stahl keine Geringere als Petra Mede den beiden die Show, als sie als Wilhelm – oder besser: Wilhelmina Tell die Bühne eroberte.
© Stephan Mehner/ECG e. V.
© Stephan Mehner/ECG e. V.
Sehr berührend war der Moment, als eine Grußbotschaft von Céline Dion eingespielt wurde, und danach vier Interpreten aus dem letzten Jahr „Ne Partez Pas Sans Moi“ begleitet von einem Orchester sangen. Ob das schon eine Absage bedeutet und Céline nicht kommen kann, ist wohl noch unklar. Falls sie aber erscheinen sollte, wird sie aller Voraussicht nach in der Arena Plus auftreten – also im Stadion neben der Halle.
Ich wage mich auch mal an eine Prognose, wer es heute Abend ins Finale schaffen könnte:
Polen, Slowenien, Estland, Ukraine, Schweden, San Marino, Belgien, Albanien, Niederlande, Zypern.
Allen einen großartigen ESC-Abend!