Alle Acts des zweiten Halbfinals haben soeben ihre erste Generalprobe absolviert. Dabei kam es zu einigen Verzögerungen, da die Umbaupausen bei vielen Beiträgen nicht ausreichten.
Wie so oft fällt die zweite Show im Vergleich zur ersten etwas ab. Einen klassischen Opening Act gibt es nicht – stattdessen werden die Zuschauer nach einem Film über das Eröffnungsfest vom Sonntag direkt in die Halle geführt. Hazel trägt ein recht bizarres Kleid, das mit riesigen Schuppen verziert ist – nun ja.
© Stephan Mehner / ECG e. V.
Kommen wir lieber zu den Beiträgen:
Australien
Hieß es nicht, dass die Requisiten in diesem Jahr maximal 2,20 Meter hoch sein dürfen? Australiens riesiger Milchshaker scheint jedenfalls beinahe doppelt so groß zu sein. Mangelnde Präsenz kann man Go-Jo wirklich nicht vorwerfen. Im Glitzeranzug rockt er die Bühne. Als er im Milchshaker verschwindet, wird scheinbar sein Oberteil geschreddert – er kommt oben ohne wieder heraus. Und ja, der Trend zum Kleiderwechsel hält auch in diesem Jahr an. So nervig ich den Song auch finde, auf der Bühne funktioniert er. Das einfache Konzept – eine „graue Maus“ erhält im Shaker ein Umstyling – ist schnell verständlich und macht gute Laune.
Montenegro
Montenegros Inszenierung lässt sich kurz zusammenfassen: Bodennebel, Airbag, dramatischer Gesichtsausdruck. Ninas auffällige Robe erinnert stark an einen Airbag, der sich wie eine Halskrause ums Gesicht legt. Ihrer starken Stimme tut das keinen Abbruch. Insgesamt ist das ästhetisch stimmig auf die Bühne gebracht. Es wird wohl nicht fürs Finale reichen – aber wer weiß das schon, nachdem Portugal es gestern geschafft hat.
Irland
Auf dem türkisfarbenen Teppich habe ich EMMY erlebt – irgendwie gruselfaszinierend. Sie spricht tatsächlich so, wie sie singt, und wirkt wie eine Comicfigur: aufgedreht, aber herzlich. Im Vergleich zum Vorentscheid klang ihr Gesang in der Halle ganz ordentlich, auch die Show ist hübsch. Wenig überraschend steht sie auf einer umgekippten Rakete, mit der wir durchs All schweben. Finale? Keine Ahnung.
Lettland
Die sechs Frauen von Tautumeitas haben ihren Strippenvorhang unter das Hallendach gehängt – mehr braucht es auch nicht. Wer Harmoniegesang mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Mir persönlich ist der Song zu repetitiv und nervt schon nach einer Minute. Beim Empfang der Deutschen Botschaft gaben sich die Sängerinnen gestern sehr sympathisch und offen. Es könnte durchaus sein, dass sie morgen Grund zur Freude haben.
Armenien
PARGs Auftritt hat einen Vorteil: Er spart sich in Basel das Workout. Beeindruckend, wie er sich auf seinem Laufband ständig bewegt und dabei stimmlich überzeugt – bei diesem grölenden Song keine leichte Aufgabe. Einen Kleiderwechsel oder Strip spart sich PARG – er kommt gleich oben ohne auf die Bühne. Die martialische Inszenierung wird sicher ihre Zielgruppe finden.
Österreich
Wohl der am sehnlichsten erwartete Auftritt des Tages. Bekannt war bereits, dass der TV-Auftritt komplett in Schwarz-Weiß gehalten sein wird – das sorgt für geteilte Meinungen. Um mich herum hörte ich Stimmen, die befürchten, dass dadurch keine Verbindung zum Publikum entsteht. Mir geht es anders – ich sehe in der Optik ein Alleinstellungsmerkmal. JJ kämpft überzeugend mit den Elementen, und über ihre perfekte stimmliche Leistung muss man kein Wort verlieren. Nach wie vor ein heißer Siegkandidat.
Großbritannien
Puh. So sehr ich diesen Beitrag lieben möchte – er macht es mir schwer. Die Stimmen der drei Sängerinnen harmonieren wunderbar. Sie beginnen ihren Auftritt in einem Boudoir, arbeiten sich dann an einem scheinbar abgestürzten Kronleuchter ab – eine Reminiszenz an das Phantom der Oper. Lied und Inszenierung wirken aber etwas wirr und unausgegoren.
Griechenland
Starker Auftrittsbeginn von Klavdia. Ihre Stimme und Ausstrahlung beeindrucken – unterstützt vom eleganten schwarzen Outfit. Sie steht auf einem Felsen, der später offenbar zu leuchten beginnt – vermutlich wird daraus ein Vulkan. Zwei Tänzerinnen zeigen Ausdruckstanz – nicht unbedingt nötig, aber auch nicht störend. Am Ende wechselt Klavdia dann doch noch das Outfit und wird zum weißen Schwan.
Litauen
Katarsis beschreien offenbar alles Übel der Welt. Alles wird wie im Vorentscheid tadellos präsentiert. Aber in einer Zeit, in der Eskapismus Hochkonjunktur hat, bezweifle ich, dass viele Anrufer für sie stimmen werden. Jeder weiß, wie schwierig die Weltlage derzeit ist.
Malta
Ich versuche, neutral zu bleiben. Miriana beginnt im voluminösen gelben Kleid – das sie natürlich ablegt – und führt uns in eine Art Moulin Rouge, in dem sich eine Discokugel in einem offenen Mund dreht. Tänzer in Dessous unterstützen sie, am Ende wird auf den mittlerweile legendären Gymnastikbällen gehüpft.
Okay, ich schaffe es nicht. Natürlich stimmt das alles – aber für mich wirkt es wie das Moulin Rouge des Grauens, in dem allerlei schlimme Dinge passieren, bis der Ritt auf den Bällen das Ganze endlich beendet. Malta hat viele Fans dieses Jahr – sie sollen es feiern dürfen.
Georgien
Der georgische Beitrag erinnert mich an den ersten Beitrag des Landes aus dem Jahr 2007 – ähnliche Tänze, auch hier in Basel. Doch der Song zerfällt in seltsame Einzelteile, die kein Ganzes ergeben. Mariam trägt zu Beginn ein silbernes Kleid, das in Größe und Form an Maria Theresia erinnert, stilistisch aber eher an einen Raumanzug aus Raumschiff Enterprise. Muss ich es erwähnen? Natürlich legt sie dieses Monstrum ab und steht dann in einem Outfit da, das an den Frontsänger von Måneskin erinnert.
Frankreich
Für Louane wird eine kreisförmige Fläche mit grobkörnigem Sand vorbereitet – aufwendig von mehreren Helfern geharkt. Anfangs war ich skeptisch, aber über die drei Minuten wirkt das sehr effektvoll. Der Sand rieselt, wirbelt, fliegt – und Louane schafft es trotzdem, dabei zu singen. An einen Sieg glaube ich nicht ganz, aber sie könnte sehr weit vorn landen.
Dänemark
Endlich mal ein Kleiderwechsel! Aus einer Rüschenorgie steigt Sissal hervor – in einem blauen Body, der besser wirkt als im Vorentscheid. Dänemark hat klar zugelegt. Sicher, es ist ein klassischer ESC-Klischee-Song – aber warum nicht? Sissal singt kraftvoll und holt viel aus dem eher einfachen Lied heraus.
Tschechien
Nach den ersten Bildern der EBU-Probe war ich unsicher – ist das alles nicht too much? Doch über die drei Minuten ergibt sich ein effektvoller, gut durchdachter Auftritt. Die Hammerstimme des Sängers trägt das Ganze, auch der Dancebreak mit vier Tänzern ist stimmig eingebunden.
Luxemburg
Wie beim nationalen Finale gibt es einen Bezug zu France Gall, die vor 50 Jahren den Grand Prix gewann. In der „Laura World“, wie der Bühnenrahmen zeigt, sehen wir einen alten Fernseher, auf dem ihr Auftritt von 1965 läuft. Auch Laura wechselt ihr Outfit – passend, da sie sich vom alten Leben emanzipiert. Die Inszenierung ähnelt der des Vorentscheids, auch die fünf Tänzer in roten Samtanzügen tanzen effektvoll um sie herum.
Israel
Yuval liefert einen runden, eleganten und effektvollen Auftritt. Auf der Bühne steht eine Wendeltreppe, von der ein Vorhang aus Glasperlen hängt. Sie schreitet hinauf und singt ihre Ballade stimmsicher – einfach wunderschön. Bislang gab es keine Buhrufe, hoffen wir, dass das auch im Juryfinale und morgen in der Show so bleibt.
Deutschland
Zum Glück kein Bezug mehr zum Vorentscheid. Wunderschön: das neue Intro mit Abor am Cello – ein toller Effekt in der Halle. Tynna steht zunächst auf einer großen Boombox, verdeckt von einem Vorhang, der sich zum ersten Refrain senkt. In der Halle war das TV-Bild schwer zu beurteilen, die Kameraschnitte wirkten etwas träge. Eine nicht sichtbare Sängerin unterstützt Tynna stimmlich – insgesamt eine solide Leistung. Am Ende entscheidet der TV-Ton. Tynna geht die Hintertreppe hinunter in eine Art Club, wo sie angetanzt wird – sehr Berlin-Style, stimmig, aber ESC-kompatibel? Wer weiß. Aus der Boombox sprühen schließlich ein paar Funken – etwas mehr Wumms wäre gut gewesen.
Serbien
Eine Wohltat in all dem Krawall. Es war klug, Zeljko Joksimović noch einmal Hand an den Song legen zu lassen – so lebt die fast ausgestorbene Gattung der Balkanballade neu auf. Die kitschige Vorentscheid-Inszenierung ist verschwunden. Princ trägt einen roten Anzug, unterstützt von vier schwarz gekleideten Tänzern. Ein wenig amüsant: Wenn er liegend über die Bühne „gefegt“ wird – man könnte es auch ikonisch nennen. Ob das noch zieht? Schwer zu sagen.
Finnland
Erika liefert das, was man von ihr erwartet – ohne Experimente. Stimmgewaltig rockt sie die Halle. Auch das berühmte Phallus-Mikrofon mit Funkenflug ist wieder dabei. Im Finale – das sie sicher erreicht – könnte sie Schweden und Estland einige Televoting-Stimmen abjagen.
Inzwischen ist auch das Medienzentrum gut gefüllt, und einige Delegationen versuchen, die Presse auf ihre Seite zu ziehen. Eben hüpften einige Mitglieder einer Delegation auf den bekannten Medizinbällen und verteilten fleißig Fähnchen und T-Shirts.
© Stephan Mehner / ECG e. V.
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